Der Standort der Vorgängerkirchen und des späteren Münsters auf halber Höhe zwischen dem unteren Stadteingang an der Nydegg und dem ersten Befestigungsgürtel auf der Höhe des Zeitglockenturmes stand bereits in der Gründungszeit der Stadt fest.
An der bevorzugten Südseite Berns am südlichen Aarehang bildete sich im 15. Jahrhundert zusammen mit dem Stiftsgebäude (violett) gewissermassen ein geistliches Zentrum heraus.
Schon kurz nach 1310 wurden Stützmauern und Aufschüttung der dem Münster südseitig vorgelagerten Plattform in Angriff genommen (blau). Die gewaltige Terrasse, die erst im 16. Jahrhundert ihre heutige Dimension erreichte (gelb), diente bis 1531 als Friedhof, danach als Promenade. Die barocken Eckpavillons stammen aus den Jahren 1778/1779.
Der Münsterplatz wurde an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert als erste geschlossene Platzanlage der mittelalterlichen Stadt geschaffen. Während der kirchenseitige Teil auf ehemaliges Friedhofgelände zu liegen kam, mussten für die westliche Platzhälfte etliche Privathäuser abgebrochen werden. Von der späteren Platzbebauung des 16. Jahrhunderts ist allein das Haus Münstergasse 30 erhalten. Sonst wird heute der Platz von barocken Prachtbauten geprägt, deren Hauptstück an der Südseite das neue Stiftsgebäude aus den Jahren 1745-1748 ist.
Am östlichsten Strebepfeiler des nördlichen Seitenschiffs (Seite Münstergasse) steht das lebensgrosse Standbild eines Werkmeisters. Es stellt wahrscheinlich Erhart Küng dar, der gegen 1460 als Bildhauer nach Bern kam und von 1483 bis 1506 Münsterbaumeister war. Küng leitete die Bauetappe nach dem Abbruch des an dieser Stelle stehenden alten Leutkirchenturms. Von ihm stammt wohl auch die selbstbewusste Inschrifttafel «machs na», deren Kopie heute am Strebepfeiler östlich des Schultheissenpforte angebracht ist (Orginal im Bernischen Historischen Museum).
Der Name Schultheissenpforte ist erst seit dem 18. Jahrhundert belegt. Seit jeher dürfte aber die Stadtregierung vom Rathaus über die Kreuzgasse kommend an diesem Ort das Münster betreten haben. Die Ikonographie weist sie als «Ehrenpforte» aus: Engel halten Schriftrollen mit Texten zu Stadtgründung und Grundsteinlegung, im Scheitel erscheinen zweimal die Berner Wappen, darüber diejenigen des Deutschritterordens, des Deutschen Reichs, der Zähringer und des Vinzenzenstifts. Das Portal stammt von Erhart Küng - es entstand 1491, also 300 Jahre nach der Stadtgründung (Kopie, Original im Bernischen Historischen Museum).
Der Münsterbaumeister Erhart Küng schuf zusammen mit seiner Werkstatt das reiche Architekturwerk der Hauptportalhalle und die insgesamt 294, teils vollplastischen, teils reliefartigen Figuren im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts. Die seitlichen Gemälde von 1501 sind die jüngsten Zeugen einer Gruppe von Malern, die ihre Werke mit Nelken gezeichnet haben (Berner Nelkenmeister).
Der Vision des Jüngsten Gerichts geht im Evangelium des Matthäus das Gleichnis der Klugen und Törichten Jungfrauen voraus (1/2). In den Gemälden der seitlichen Wandfelder wird der «alten Eva» im Sündenfall (4) die Rolle Marias als «neue Eva» in der Verkündigung (3) gegenübergestellt. Im Scheitel: Christus als thronender Weltenrichter, umgeben von Maria und Johannes dem Täufer, den Aposteln (6), den Propheten (7) sowie von Engeln mit Marterwerkzeugen (8). Christus wacht über die Trennung der Seligen (9) von den Verdammten (10), die der Erzengel Michael (11) mit Seelenwaage und Schwert vornimmt. Im Gewölbe erscheint der ganze Kosmos (12): Sonne (A), Mond (B), Planeten (C) sowie Taube des Heiligen Geists (D), Symbole der 4 Evangelisten (E) und 9 Engelschöre (F). Den Anteil des Staatswesens an dieser Welt betonen 4 Berner Wappen (G) am Gewölbe. Anstelle des ursprünglichen Marienbildes ist nach der Reformation eine Justitiafigur (13) eingefügt worden. Das wachsende Selbstbewusstsein der Künstler demonstrieren die beiden Werkleute (14), die am Türpfosten die Schriftrolle mit dem Text der Grundsteinlegung halten. (nach: «Machs na», S. 31).