Der Turm des Berner Münsters ist – neben seiner Bedeutung als Teil eines spätgotischen Kirchenbaus – ein einzigartiger Aussichtspunkt. Steigt man in der Wendeltreppe des südlichen Treppenturms die 254 Stufen zur ersten Galerie empor, eröffnet sich langsam ein wunderbarer Ausblick. Oben angekommen, sieht man die Dächer der Altstadt und den Zeitglockenturm, an klaren Tagen zeigt sich im Südosten das prächtige Panorama der Berner Alpen mit den markanten Gipfeln Eiger, Mönch und Jungfrau und im Südwesten ein kleiner Ausschnitt der Freiburger Alpen. Im Nordosten und Nordwesten sind die Juraketten sichtbar. Einen kleinen Vorgeschmack finden Sie hier.
Bis zu 80 000 Leute besuchen jährlich bei jeder Witterung den Turm. Jung und Alt wagen den Aufstieg und sind begeistert von der Aussicht. Ab dem 70. Lebensjahr kann man sich im sogenannten ‚Turmbuech’, dem ehemaligen Greisenbuch verewigen. Voraussetzung für einen angenehmen Aufstieg und den anschliessenden Genuss der Aussicht sind eine gesunde Konstitution und möglichst keine Platz- oder Höhenangst.
Nehmen Sie sich Zeit und Sie werden eine Menge baulicher und stilgeschichtlicher Details entdecken. Bis zur ersten Galerie auf 46 Meter Höhe befindet man sich im spätgotischen Bereich, der zwischen 1481 und 1588 erbaut wurde. Steigt man die 90 Stufen zur zweiten Galerie auf 64 Meter hinauf, begibt man sich in den letzten Turmabschnitt, der von 1889 bis 1893 im neugotischen Stil aufgebaut wurde. Der heutige Turm ist 101 m hoch und somit der höchste Kirchturm der Schweiz. Achten Sie beim Auf- und Abstieg auf die vielen handwerklichen Details, die von den Steinmetzen sowohl früher als auch heute in den Stein gehauen wurden. Neben verschiedenen Wasserspeiern gibt es auch einen Affen und einen Frosch und sogar den Kopf eines früheren Stadtpräsidenten.
Verpassen Sie es nicht, beim Aufstieg ein Auge in die zwei Glockenstuben zu werfen. Den Abend läutet die Armesünderglocke ein. Sie befindet sich in der unteren Glockenstube neben der Grossen Glocke, die mit ihren ca. 10 Tonnen die grösste Glocke der Schweiz ist. Ebenfalls in der unteren Glockenstube hängt die Burgerglocke (1403). Sie wird als einzige noch heute von der Turmwartin von Hand geschlagen. Immer zum Jahreswechsel am 31. Dezember ertönen ihre zwölf Mitternachtsschläge um das neue Jahr zu begrüssen. In der oberen Glockenstube befinden sich vier der insgesamt sieben Glocken des Münstergeläuts. Zwei davon läuten werktags täglich. Die Betglocke ertönt jeweils um 11 Uhr und um 15 Uhr. Um zwölf Uhr läutet die Mittagsglocke. Die Silber- oder Hugoglocke (1356) ist die Älteste des Geläuts und läutete schon in der Vorgängerkirche des Münsters.
Am Samstag vor grossen Festtagen wie Ostern, Pfingsten, Weihnachten und Neujahr können Sie von 15 Uhr bis 15.15 Uhr das Vollgeläute des Münsters live in der Glockenstube miterleben. Mehr über die Glocken, deren Gewicht und Klang, erfahren Sie hier.
Von Frühling bis Herbst lassen sich bei gutem Wetter von den Turmgalerien aus zwei Flugkünstler der Vogelwelt, die Alpen- und die Mauersegler beobachten: Sie kehren im April und Anfang Mai nach Bern zurück. Während ihres Sommeraufenthalts umkreisen sie oft in atemberaubendem Tempo den Turm auf der Suche nach Insekten. An warmen und sonnigen Tagen geben die Felsenschwalben ihre munteren Flugspiele zum Besten. Sie sind fast das ganze Jahr am Turm zu sehen. Versuche, ein Wanderfalkenpaar auf dem Turm anzusiedeln, zeigten bis jetzt keinen Erfolg. Dafür kann man Wanderfalken, Turmfalken und andere Greifvögel ab und zu in unmittelbarer Nähe vorbeifliegen sehen. Es kam auch schon vor, dass sie ihre Beute auf der oberen Galerie verspeisten...
Anfänglich hielten die Turmwächter nach Feuersbrünsten und Bränden Ausschau. Von 1447 bis 1798 waren sie beauftragt Feuerzeichen, sogenannte Chutzenfeuer, zu melden. Diese dienten bereits im Mittelalter als Kommunikations- und Alarmsystem. Ab 1521 befand sich das Wachtlokal der Turmwächter auf der Höhe der heutigen Wohnung (auf 46 m). Die Hochwächter wachten während der Dienstzeit auf dem Turm, wohnten aber unten in der Stadt oder im Mattequartier. Ab 1798 war der Turm Tag und Nacht bewohnt. Nach der Aufstockung des Turms erhielt das Turmwächterpaar 1894 eine ausgebaute Wohnung, die nach damaligen Verhältnissen nichts zu wünschen übrigliess: Sie war mit einem Abtritt mit Spülung und einer Zentralheizung ausgestattet.
Aus den Hochwächtern von gestern ist die Turmwartin von heute geworden. Sie hält nicht mehr nach Feuern Ausschau, sondern beschäftigt sich mit den Besuchern, beantwortet Fragen, organisiert Führungen und ist stellvertretende Sigristin.
Bis 2007 war die 3-Zimmer-Wohnung vom Turmwartpaar bewohnt, wurde dann aber für die Bauarbeiten am Turm freigegeben. Die jetzige Turmwartin Daniela Wäfler hat nun lediglich ihr Büro hoch über den Dächern von Bern. Der Turm wird in Zukunft nicht mehr bewohnt. Verschiedene Räume stehen seit dem 1. Mai 2017 für verschiedene Anlässe zur Verfügung und können über die Turmwartin gemietet werden.